Das Kalkulieren von Kaufteilen, Analysieren von eigengefertigten Produkten oder die konstruktions- und planungsgetriebene Produktkostenkalkulation sind nicht mehr alleiniges Instrument des Automotive Sektors. Wir sprachen mit Godo Lange-Hilmers, Geschäftsführer Kerkhoff Software GmbH, über die Umsetzung mithilfe einer Kalkulationssoftware.
Sie bieten eine Software an, die Einkäufern eine Produktkostenkalkulation erleichtert. Was steckt dahinter?
Lange-Hilmers: Produktkostenkalkulationen sind seit den 80-iger Jahren vor allem im Bereich Automotive für den Einkauf ein Schwerpunkt gewesen. Damals wurden die Einkaufskosten von Zukaufteilen beleuchtet, um zu erfahren, was so ein Bauteil eigentlich wirklich kosten darf. In den letzten Jahren ist dies zunehmend auch in anderen Branchen ein Thema geworden. Produktkostenkalkulationen und Wertanalysen setzt man zur kostenseitigen Optimierung von Bauteilen ein. Dabei haben wir die Schwierigkeit entdeckt, dass das Thema aufgrund des fehlenden Wissens und Know-how für viele Unternehmen sehr schwierig ist. Der klassische Einkauf befindet sich in einem Wandel und die Einkaufstätigkeit soll durch Kostenkalkulationen extrem unterstützt werden.
Ein Problem, das viele Einkaufsabteilungen haben?
Lange-Hilmers: Teilweise liegt das Thema bei unseren Kunden schon lange auf dem Schreibtisch und sie versuchten eigene Teilekalkulationen, wussten aber nicht genau, wie sie dies umsetzen können. Eine Software allein kann bei dem umfangreichen Thema nicht viel bewirken. Wichtig ist der Wissenstransfer in die Einkaufs-Abteilungen, den wir durch Schulungen mit unseren Fachexperten in die Unternehmen bringen. Unser Anliegen ist es, den Kunden dafür Mut zu machen und die Systematik bei ihnen zu implementieren, so dass die Produktkostenkalkulation eine feste Instanz in der Einkaufsanalytik ist.
Welche Bauteile nehmen Sie so unter die Lupe?
Lange-Hilmers: Wir analysieren sowohl zeichnungsgebundene Bauteile, von denen wir CAD-Daten haben, als auch Produkte, die wir in unserem Testlabor in seine Einzelteile zerlegen. Grundsätzlich geht es erst einmal um die Schaffung der Transparenz, welche Kosten die Bauteile haben und wie sich diese innerhalb dieser verteilen. Wenn wir herausfinden ob es ein lohngetriebenes oder materialgetriebenes Bauteil ist, können wir die größten Hebel in den Kosten herausfinden und diese optimieren.
Und dann…?
Lange-Hilmers: Sind die Hebel ermittelt, also quasi die Kostentreiber identifiziert, schlagen wir unseren Kunden alternative Materialien oder Konstruktionsmöglichkeiten vor, wie beispielsweise eine Wandstärke zu optimieren. Oder wir schauen grundsätzlich in die Fertigung dieser Bauteile, um die einzelnen Fertigungsschritte und Prozesse neu zu durchdenken.
Somit ist die Kalkulation also die Grundlage für weitere Entscheidungen?
Lange-Hilmers: Die Themen, die sich aus einer Produktkostenkalkulation ergeben, sind vielfältig. Gerade im produzierenden Gewerbe ist es ja so, dass das Produkt im Fokus steht, sozusagen den Sockel darstellt. Darauf bauen sämtliche andere Analysen auf, ob das Global Sourcing-Betrachtungen sind, Target-Costing-Betrachtungen oder Make-or-Buy-Entscheidungen. Erst wenn die Kalkulation sauber aufgestellt ist, können weitere Entscheidungen vorgenommen werden.
Wird die Entwicklungsabteilung eigentlich immer gleich in die Prozesse mit einbezogen?
Lange-Hilmers: Das hängt vom Wunsch des jeweiligen Kunden ab, der bestimmt, ab welchen Zeitpunkt X der Lebenszyklus des Produktes betrachtet wird. Es gibt Beispiele, wo die Betrachtung des Lebenszyklus schon sehr zeitig beginnt. Dort gibt es dann während der Konstruktions- und Entwicklungsphase alle vier Wochen ein Kostenmeeting, das, um sicher zu stellen, die Kosten und das Target vergleicht. Denn bei einem Bauteil, das fertig ist und in Serie geht, sind Änderungen sehr kostenintensiv.
Dann gibt es aber auch andere Kunden, deren Produkte weniger im Innovationsbereich liegen, in dem die Bestandsprodukte modifiziert werden. Das sind Produkte bei denen das Rad nicht jeden Tag neu erfunden wird, da geht es eher darum, die Bauteile zu optimieren.
Schauen Sie sich da auch die Einkaufmärkte an?
Lange-Hilmers: Das ist die initiale Fragestellung bei der Kostenkalkulation. Der Vergleich, ob ein Teil in Fernost oder in Osteuropa gefertigt wird, beeinträchtigt den Preis in hohem Maße. Wenn ein Bauteil ein materialgetriebenes Teil ist, dann kann es auch in Deutschland zu moderaten Preisen eingekauft werden, da die Produktivität so hoch ist, dass sich da Lohnkosten kaum noch negativ auswirken. Ein Trend zum Backward-Sourcing lässt sich hier erkennen. Je besser ich die Technologie im Griff habe, desto eher bin ich befähigt innovativ zu arbeiten. Und da gestaltet sich eine nahegelegene Produktion als großer Vorteil.
Wichtig ist die Implementation einer solchen Methodik und aufzuzeigen, wie andere Unternehmen in dieser Branche schon damit arbeiten und Erfolge erzielen. Die Software-Bausteine sind dabei nur die Werkzeuge. Der Mensch, der letzten Endes die Kalkulation vornimmt, ist der Experte.
Können Sie das an einem praktischen Beispiel erläutern?
Lange-Hilmers: Nehmen wir einmal an, sie haben ein Bauteil auf dem Tisch, dass ein PC scannt und einen Preis von 8,45 Euro für das Teil ermittelt. Das wäre zwar schick und schön und schnell, aber wir hätten ein großes Problem, da keinerlei Wissen darüber vorliegt, wie dieses Bauteil eigentlich hergestellt wurde. Und später bei der Verhandlung mit dem Lieferanten könnte keiner erklären, wie es zu diesem Preis kommt. Wenn ich jedoch über Zahlen rede, muss ich auch in die Tiefe gehen können, angefangen bei den Materialpreisen über Fertigungstechniken bis hin zu den hinterlegten Lohnstückkosten. Dieses Verständnis wollen wir bei unseren Kunden aufbauen.
Wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus?
Lange-Hilmers: Die Software gibt dem Anwender möglichst viele gute Vorschläge, wie hoch die Kosten in den verschiedenen ausgewählten Bereichen sind. Nehmen wir die Lohnkosten: Es werden Vergleichsrechnungen in 700 verschiedenen Regionen, in 33 Branchen und in 9 Qualifikationsstufen angeboten. Das sind detailgenaue Zahlen, die ansonsten von Hand recherchiert werden müssten, was eine Kalkulationserstellung ungemein langsam und unglaublich schwierig macht. Bis zu 20 bis 25 Prozent der Produktkosten bestehen beispielsweise aus Gemeinkosten. Und diese indirekten Kosten werden von Lieferanten oft genutzt, um darin ein paar andere Kostenpunkte zu verstecken. In offen gelegten Kalkulationen ist dies nicht mehr möglich, da kann man sie genau widerlegen.
Leiden die Lieferantenbeziehungen dann darunter?
Lange-Hilmers: Das ist ein sehr feinfühliges Thema, das mit unseren Kunden besprochen wird. Jetzt könnten es durchaus Beziehungen sein, die schon vorbelastet sind, es können aber auch Beziehungen sein, die außerordentlich gut und vielleicht von privater Natur sind. Da ist eine Strategiebesprechung vor dem Lieferantengespräch ungemein wichtig. In der Regel begleiten wir 90 Prozent der Preisverhandlungen, damit unsere Ingenieure mit ihrem Fachwissen und den erstellten Kalkulationen dem Einkäufer zur Seite stehen, wenn es um beispielsweise Fertigungsdetails geht.
Also unterstützen Sie dann mit den transparenten Zahlen den Einkauf?
Lange-Hilmers:
Normalerweise versuchen wir mit einem Sympathiebild in die Preisverhandlungen zu gehen, nehmen aber das komplette Kalkulationssystem mit und präsentieren den Preis, der nach unseren Ermittlungen für das Bauteil richtig wäre. Dann bitten wir den Lieferanten, uns bei der Transparenz zu helfen. Mithilfe dieser Systematik kann jede Befindlichkeitsdiskussion ausgeschlossen werden und die Diskussion bewegt sich auf dem Boden der Fakten. Und das kann dazu führen, dass solche Kalkulationen auch Hand in Hand gemacht werden, der Lieferant seine eigene Fertigung darauf hin optimieren kann und durchaus auch einen Benefit erzielt. Anders als zu Lopez-Zeiten, wo die Lieferanten an die Wand gedrückt wurden, entwickelt sich hier ein gemeinschaftlicher Prozess. Denn niemand kann sich mehr erlauben aufgrund von Lieferengpässen seine Bänder still stehen zu lassen.
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